Echter Teamspirit

Martin Fuchs und Clooney sind auf dem Sprung zum nächsten großen Coup

Diese beiden Sportler sind ziemlich beste Freunde: Der Schweizer Springreiter Martin Fuchs und sein Westfalenschimmel Clooney haben in den vergangenen Jahren groß aufgetrumpft und Erfolg um Erfolg nach Hause geritten. In dieser Geschichte erfahren wir, worauf es im Parcours ankommt. Und wie Pferd und Reiter zu einem (fast) unschlagbaren Team werden können.

Der beste Reiter der Welt

Gerade 28 Jahre alt ist Martin Fuchs. Dennoch hat er bis heute schon mehr als 30 (!) der höchstdotierten 5-Sterne-Turniere gewonnen. 2018 wurde er Vizeweltmeister und 2019 Europameister. Das Jahr 2020 begann er schließlich als Weltranglistenerster, ging beim Heim-Grand-Prix in Basel mit der Armbinde des „Besten Reiters der Welt“ an den Start.

»Mein bislang schönster Moment«

„Ich durfte schon einige Erfolge feiern“, sagt Martin, „aber als Nummer eins der Welt in die Saison zu starten, war wohl mein bislang schönster Moment.“ Gewinnt man einen Großen Preis oder die EM, dann sei man der Beste an einem Wochenende. „Führt man aber die Weltrangliste an, hat man sein Können ein Jahr lang auf verschiedenen Pferden unter Beweis gestellt.“

Als Junge im Stall gespielt

Aufgewachsen ist Martin Fuchs in einer „Pferde-Dynastie“. Sowohl der Vater als auch der Onkel nahmen als Springreiter an den Olympischen Spielen teil. Die Familie lebt für den Reitsport. Im elterlichen Turnierstall spielte Martin schon als Junge, mit sieben begann er auf einem Pony mit dem Reiten. „Als ich klein war, hatte ich vor den großen Pferden sogar ein wenig Angst. Das hat sich inzwischen aber gelegt“, sagt der amtierende Europameister mit einem Lächeln.

Was der junge Reiter von zuhause mitnahm, macht ihn heute so gut: Es ist das Verständnis dafür, dass sich Erfolg im Parcours nur dann einstellen wird, wenn das komplette Umfeld perfekt organisiert ist. „Es sind so viele Faktoren, die zusammenkommen müssen – das Reiten selbst ist nur ein Teil davon.“

»Pferd und Reiter brauchen eine spezielle Verbindung«

Zusammenkommen müssen vor allem zwei: das Pferd und sein Reiter. Wie würde Martin den Anteil am Erfolg aufteilen? 50/50? Oder doch eine andere Quote? „Unmöglich, das in Prozent auszudrücken“, sagt er. „Ein guter Reiter kann ein kleineres Springen auch mal mit einem durchschnittlich talentierten Pferd gewinnen. Aber bei den großen Championaten ist ein Sieg nur möglich, wenn sich Pferd und Reiter als ein Paar mit einer ganz speziellen Verbindung auszeichnen.“

Im Galopp vor dem Hindernis 

Wie läuft das überhaupt ab? Wenn sich Pferd und Reiter im Parcours befinden? Martin Fuchs nimmt uns mit in den Sattel. Und gemeinsam springen wir über ein Hindernis: 

„Vor dem Hindernis ist vor allem eines wichtig: konstantes Tempo! Ziel ist es, die letzten drei Galoppsprünge in gleicher Länge auszuführen. Etwa acht Galoppsprünge vor dem Hindernis kann ich einschätzen, ob wir gut hinkommen oder nicht. Je nach Distanz zum Sprung wird justiert. Man kann den Galopp verkürzen oder verlängern, indem man nach vorne reitet oder das Pferd auf die Hinterhand bringt. Nur aus einem gleichmäßigen Anlauf heraus können wir perfekt zum Absprung kommen. Jetzt mache ich mich leicht. Das Pferd kommt von selbst nach oben. Als Reiter versuche ich, beim Sprung nicht zu stören. Das funktioniert nur, wenn wir in einer harmonischen, fließenden Bewegung über das Hindernis gehen. Sobald wir in der Landung sind, richte ich mich auf, versuche, das Pferd wieder vor mir zu haben und den passenden Galopp für den nächsten Sprung einzuleiten.“

»Mit Vertrauen ist fast alles möglich«

Martin sagt: „Ich bestimme den Punkt des Absprungs. Das Pferd muss darauf vertrauen, dass es der richtige Moment ist. Fehlt dieses Vertrauen, dann funktionieren vielleicht ein paar Sequenzen, aber das Endresultat wird nicht passen. Besteht jedoch eine vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Pferd und Reiter – dann ist meiner Erfahrung nach fast alles möglich.“

Von Oxer bis Wassergraben

Vor dem Springen haben die Reiter 15 Minuten Zeit, den Parcours zu studieren, die Distanzen zwischen den Hindernissen abzumessen; bei Martin Fuchs ergeben dabei vier Schritte genau einen Galoppsprung seines Pferdes.

Zu überspringen haben Pferd und Reiter verschiedene Hindernisse: Es gibt z. B. Oxer, Ricks oder Mauern, alleine oder in Zweifach- sowie Dreifachkombinationen gestellt, die Höhe der Hindernisse erreicht bis zu 1,60 Meter. Tuschiert das Pferd ein Hindernis nur minimal, fallen die leichten Stangen oder Mauerteile von der flachen Auflage. Wenig beliebt ist bei vielen Reitern der Wassergraben, bei dem das Pferd über den Graben und eine weiße Linie springen muss.

»Clooney weiß genau, wenn er einen Fehler gemacht hat«

„Landet das Pferd auch nur einen Zentimeter zu früh, wird ein Abdruck auf der weißen Markierung mit vier Punkten bestraft“, erklärt Martin Fuchs. „Leider bemerkt das Pferd diesen Fehler nicht, es versteht also nicht, dass es etwas falsch gemacht hat.“ Das mache die Korrektur eines Sprunges am Wassergraben deutlich komplizierter, als bei Oxer oder Rick. „Wenn Clooney eine Stange tuschiert hat, weiß er genau, dass er einen Fehler gemacht hat. Die nächsten zehn Sprünge macht er dann garantiert keinen Fehler mehr.“

Woher weiß der Reiter, dass ein Pferd sein Missgeschick wahrgenommen hat? Können Pferde sich ärgern? – „Ärgern vielleicht nicht. Aber sie möchten ihre Sache gut machen. Es gibt Pferde, die nach einem Fehler die Ohren nach hinten stellen und den Kopf schütteln. Dass Clooney den Fehler bemerkt hat, spüre ich an seiner Reaktion: Er korrigiert sofort und überspringt die nächsten Hindernisse deutlich höher.“

Stärker werden und locker bleiben

Um die nötige Sprungkraft zu trainieren, wird vielfältig mit den Tieren gearbeitet. „Das Ausreiten an Anstiegen oder Bergen ist wichtig, um die Hinterhand der Pferde zu stärken“, erklärt Vizeweltmeister Fuchs: „Durch Dressurreitübungen helfen wir dem Pferd dabei, gelöst im Körper zu sein. Es soll Muskulatur aufbauen, ohne dabei die Lockerheit zu verlieren. Und natürlich absolvieren wir im Training auch technische Einheiten an kleineren Hindernissen.“

Martin Fuchs selbst trainiert fast ausschließlich im Sattel. Morgens und abends dehnt er intensiv, darüber hinaus absolviert er kein spezifisches Kraft- oder Ausdauertraining. 

Erfolg ist Kopfsache, auch beim Pferd

Was macht ein gutes Pferd aus? – „Natürlich braucht es Talent. Aber am Ende ist auch bei einem Pferd die Einstellung das wichtigste. Viele Experten sagen, dass der Körperbau von Clooney eher unvorteilhaft für ein Springpferd ist. Man kann sich nicht wirklich erklären, dass er eines der besten Pferde der Welt ist. Im Parcours verhält er sich extrem schlau, er verfügt über einen besonderen Wettkampfinstinkt. Ich habe immer das Gefühl, dass er genau weiß, worum es geht.“

»Clooney hat ein Kämpferherz«

Es gebe viele gute Pferde, sagt Martin Fuchs: „Die besten von ihnen haben allerdings ein großes Herz. Sie sind bereit mit dem Reiter zu arbeiten und werden im Parcours zu echten Kämpfern.“

Zu den Spielen nach Tokio

Wenn im Juli (hoffentlich) die Olympischen Spiele stattfinden, sind natürlich auch Martin Fuchs und Clooney mit von der Partie. Die Reise nach Japan tritt der Wallach in einer Frachtmaschine an, in seiner eigenen Box, gemeinsam mit ein bis zwei weiteren Pferden in einem Container. Bei solchen Flügen nehmen die Piloten die komplette Start- und Landebahn in Anspruch, um möglichst flach abheben und landen zu können. Turbulenzen werden zudem großräumiger umflogen, als dies mit Passagieren und ohne Pferde an Bord getan werden würde.

»Pferde haben keinen Jetlag«

Und dann? Hat Clooney Jetlag? „Nein“, sagt Martin Fuchs. „Erstaunlicherweise kam es noch nie vor, dass wir vor, während oder nach einer Flugreise irgendwelche Probleme gehabt hätten. Ich selbst war früher extrem nervös vor solchen Flügen, aber die Pferde bleiben immer ziemlich entspannt. Und einen Jetlag ... den hat wirklich nur der Reiter.“

Martin Fuchs zum Thema Sicherheit:

„Als ich klein war, pflegte mein Vater zu sagen, ehe ich nicht wenigstens 50 Mal vom Pferd gefallen wäre, sei ich noch kein guter Reiter. Und ich bin viel vom Pferd gefallen. Heute ist dies seltener der Fall, aber noch immer steige ich jedes Jahr ein paar Mal ziemlich unsanft ab. Es ist schön zu wissen, bestmöglich geschützt zu sein. Ein leichter und komfortabler Helm ist beim Reiten essentiell. Neben einer optimalen Passform ist für mich vor allem eine gute Belüftung wichtig, da ich jeden Vormittag zwischen vier und fünf Stunden im Sattel sitze.“