Der perfekte Sprung

Olympiasieger Marius Lindvik ist der Mann mit dem norwegischen Sieger-Gen.

Im Skispringen begann das Jahr 2022 als das Jahr des Marius Lindvik: Im Februar wurde der Norweger Olympiasieger auf der Großschanze. Einen Monat später ließ er das nächste Gold folgen, holte vor seinem Heimpublikum in Vikersund den WM-Titel im Skifliegen. Nun steht der gerade einmal 24-jährige „Goldjunge“ vor der 71. Vierschanzentournee. Und hat natürlich große Pläne.

Runterkommen. Als Überflieger.

Im Sommer war es zunächst etwas ruhiger um Marius geworden. Beim Urlaub in Mexiko entspannte er sich für einige Tage beim Schnorcheln, so wie er es gerne mit seinem Trainingspartner Daniel André Tande beim „League of Legend“-Spielen tut. Auf den Social-Media-Kanälen war kaum etwas von Marius finden, stattdessen konzentrierte er sich darauf, als der Überflieger des Jahres auch mal abzuschalten und runterzukommen.

»Technik- und Fitnessübungen sind genauso wichtig wie das Springen auf der Schanze.«

Marius, wie blickst du auf deine „goldene“ Saison zurück?

„Es waren unglaubliche Erlebnisse und fast schon traumhafte Erfolge mit Sprüngen auf einem hohen Level. Der Sommer hat mir gutgetan, ich hatte Zeit, auch mal mit Freunden abzuhängen und das Geschehene in aller Ruhe zu reflektieren. Aber natürlich haben wir auch konzentriert und hart trainiert.“

Wie sieht dein Training im Sommer aus?

„Das ist von Woche zu Woche unterschiedlich. Wir haben ein bis zwei Sessions am Tag, jeweils ein bis drei Stunden lang, sowohl draußen im Freien als auch drinnen in der Halle oder im Kraftraum.

Was genau wird trainiert?

„Wir versuchen, an der Technik zu feilen und sind mehrmals in einem Wochencamp auf der Sprungschanze. Der Fokus liegt im Sommer aber vor allem auf der physischen Verfassung. Wir arbeiten an der Rumpfmuskulatur, stemmen Gewichte, trainieren mit Jump Squats aus der Anfahrtsposition die Sprungkraft oder verbessern mit Dehnübungen unsere Beweglichkeit. Technik-, Fitness- und Trockenübungen sind für uns genauso wichtig wie das Springen auf der Schanze.“

Die Saison bislang: eine Wundertüte

Beim Weltcup-Auftakt in Wisla (Polen) sprang Marius direkt aufs Podest. Auf der Großschanze in Titisee-Neustadt verpasste er in beiden Wettkämpfen das Finale der besten 30, hatte eigenen Angaben zufolge ein generelles Problem mit seiner Flugposition. Im schweizerischen Engelberg ging’s zwar mit einem 15. sowie 12. Platz nach vorne … aber es gibt noch reichlich Luft nach oben.

»Wenn du Großes erreichen möchtest, musst du 110 Prozent dafür geben.«

Ist es manchmal schwer, sich nach den Erfolgen der Vorsaison zu motivieren?

„Nein, im Gegenteil: Ich will meine Erfolge bestätigen und zeigen, dass es kein Zufall war. Ich bin Skispringer, das ist ein Privileg und dafür möchte ich alles geben. Wenn du Großes erreichen möchtest, musst du 110 Prozent dafür geben.“

Wie bringst du dich auf 110 Prozent, wenn du oben an der Schanze stehst?

„Ich höre gerne Electronic Dance Music, am liebsten Martin Garrix, um das Blut schön auf Touren zu bringen. Bevor ich die Ski anschnalle, konzentriere ich mich auf eine tiefe Atmung und nehme mir einen Moment, um mich voll und ganz zu fokussieren. Dann visualisiere ich noch einmal den Sprung, den ich vorhabe … und ab geht’s.“

Wie fühlt sich ein guter Sprung an?

„Im Moment des Absprungs findest du direkt deine Position. Du spürst die Geschwindigkeit und die Energie, es ist, als würde es dich wie aus einer Schleuder nach vorne katapultieren. Du weißt sofort, dass es ein weiter Sprung werden wird. Die Luft arbeitet mit dir und hebt dich auf ein unsichtbares Kissen, es ist wirklich ein geniales Gefühl.“

Hattest du schon mal das Gefühl eines perfekten Sprungs?

„Mein zweiter Sprung bei den Olympischen Spielen in Peking war einer meiner besten. An diesen Sprung denke ich immer, wenn ich zurückblicke. Aber ganz ehrlich: Den perfekten Sprung kann es gar nicht geben, denn es geht immer noch besser. Und genau daran arbeite ich.“

Norwegen, Nation der Sieger

Vielleicht gelingt Marius Lindvik ja bei der 71. Vierschanzentournee so ein Sprung, der kaum noch besser geht? Dann könnte es auch etwas mit dem Tourneesieg werden, nachdem der Norweger in den Jahren 2020 sowie 2022 jeweils Zweiter wurde.

Bleibt eine Frage zum Schluss: Warum ist das kleine Norwegen mit seinen fünf Millionen Einwohnern so ein Riese im Sport und war zuletzt auch bei Olympia 2022 in Peking mit Abstand die erfolgreichste aller Nationen?

„Schwer zu sagen“, meint Marius. „Aber ich weiß, dass Norwegen viel in das Wissen rund um den Sport investiert. Wir haben außergewöhnlich gute Trainer, ausgezeichnete Serviceleute und legen großen Wert auf die richtigen Informationen, um zielgerichtet an uns arbeiten zu können.“

 

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